Frauen im Handwerk: Zahntechnikerinnen brechen alte Klischees

Wie können wir die Arbeitsbedingungen im Handwerk so gestalten, dass Frauen nicht nur überleben, sondern aufblühen?

Tag des Handwerks

 

Ich bin Andrea Korndörfer, seit 2 Jahren Chefin in meinem kleinen Dentallabor in Ludwigsfelde, und Chancengleichheit von Frauen liegt mir besonders am Herzen. Frauen im Handwerk, vor allem in der Zahntechnik, haben es oft nicht leicht.

Obwohl etwa 64 Prozent der Zahntechniker in Deutschland Frauen sind, verlassen viele den Beruf oder haben Probleme, Karriere zu machen.  Der Grund? Zu viele Überstunden, Stress im Labor wegen fehlender Mitarbeiter und vergleichsweise schlechte Bezahlung.

Ein sicherer job oder ein glückliches leben

Ein Gespräch ist mir aus den letzten Jahren besonders im Gedächtnis geblieben: Eine talentierte Zahntechnikerin hatte sich bei mir vorgestellt. Sie zögerte den Job zu wechseln, obwohl sie erschöpft und unglücklich war. Warum? Ihr Mann hatte gerade einen neuen Job angefangen, und sie wollte ihren sicheren alten Arbeitsplatzes nicht aufgeben, obwohl der lange Pendelweg und die schlechte Stimmung im Team sie sehr belastet haben.

 

Das hat mich nachdenklich gemacht – das konnte ich so nicht so stehen lassen. Daher habe ich beschlossen, die Arbeitsbedingungen in meinem Labor weiter zu verbessern, um Frauen wie ihr eine echte Möglichkeit anzubieten. Eine Option sowohl beruflich als auch persönlich zu wachsen.

Mein Labor soll Vorbild sein

Viele Frauen stecken trotz ihrer Qualifikationen in alten Rollenbildern fest und nehmen sich selbst und ihre Bedürfnisse viel zu oft zurück. Die Frau kümmert sich ums Kind, der Mann bringt das Geld nach Hause. In meinem Labor bin ich dieses Problem angegangen:

  • Flexible Arbeitszeiten sind eins der wichtigsten Maßnahmen, um Frauen im Handwerk zu unterstützen. Viele Frauen müssen Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit je nach Bedarf zu reduzieren oder zu erhöhen, kann dabei eine große Hilfe sein. Neben dem Kita-Zuschuss gibt es bei uns für den Notfall ein Familienzimmer.
  • Überstunden sind in der Zahntechnik normal, oder? Eben nicht. Zahntechniker*innen brauchen Zeit und Ruhe für ihre präzise Arbeit. Ständiger Zeitdruck und Überstunden schaden langfristig der Qualität und der Gesundheit.
    Zahnärzte und Patienten sollten zukünftig verstehen, dass gute Zahntechnik trotz moderner Hightech nicht immer express geht. Ohne realistische Zeitpläne und faire Arbeitsverteilung läuft bei mir nichts.
  • Fortbildungen sind oft ein Knackpunkt, da Frauen sich benachteiligt fühlen, weil sie keine Chance haben, daran teilzunehmen. Die Verpflichtungen im Job und in der Familie bremsen die Karriere. Deshalb suchen wir gezielt nach Online-Weiterbildungen, die den Fahrtweg sparen, oder holen uns die Referenten ins Haus. Denn von dem neuen Wissen profitiert automatisch das ganze Labor.
  • Bezahlung von Zahntechnikern ist vergleichsweise schlecht – stimmt nicht. Zahntechniker mit Spezialisierungen in mehreren Bereichen verdienen sehr gut. Faire Chefs geben ihren Mitarbeitern jedes Jahr Feedback zu Leistungen und passen die Gehälter entsprechend an. In meinem Labor musste noch nie jemand nach einer Gehaltserhöhung fragen – das mache ich von selbst.

Fördern statt überfordern

Der Tag des Handwerks findet jährlich am 3. Samstag im September statt. Es ist die perfekte Gelegenheit, um zu zeigen, was Frauen im Handwerk alles draufhaben und alte Rollenbilder über Bord zu werfen. Jede Frau sollte neben den familiären Aufgaben, ihre eigenen Fähigkeiten im Job zeigen und entwickeln dürfen.

 

Zahntechnikerinnen sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Frauen im ständigen Wandel und mit zunehmender Digitalisierung das Handwerk richtig voranbringen. 

 

Kurz gesagt: Wenn wir diese alten Klischees endlich überwinden, schaffen wir ein Handwerk mit Zukunft – in dem alle Frauen ihre volle Stärke entfalten können.

Andrea Korndoerfer sympatisch lachend

Dieser Artikel wurde von Andrea Korndörfer geschrieben

Andrea ist Dipl. Betriebswirtin und Expertin für Qualitätsmanagement im eigenen Dentallabor in Ludwigsfelde bei Berlin. Sie hat ein großes Interesse an Gesundheitsthemen und Zukunftsforschung.  Ihr findet sie auf Instagram und hier

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